Wilde Eiche trifft moderne Elektronik

Lea Pallmer und ihr besonderes Gesellenstück

Lea Pallmer braucht ihre volle Konzentration. Die furnierten Teile ihres TV-Möbels müssen geschliffen werden. Wenn man weiß, dass Furnier oft nur einen halben Millimeter dick ist, dann kann man erahnen, wie schnell man da durchgeschliffen hat. Routiniert und sicher erledigt die Schreiner-Azubine im dritten Lehrjahr diesen Arbeitsgang. Ein letztes Streichen über die geschliffene Fläche: Das Ergebnis stimmt!

Achtzig Stunden Zeit hat eine angehende Schreinergesellin, um zu zeigen, was sie in drei Jahren gelernt hat. Gesellenstück sagt man allgemein dazu. Selbst entworfen, geplant und gebaut muss es sein. Ansporn und Herausforderung zugleich. Ansporn und Motivation, weil man in das Gesellenstück seine eigenen Ideen und Vorstellungen einfließen lassen kann. Herausforderung, weil man sehr selbständig arbeiten und somit auch denken muss, damit das Ergebnis handwerklicher Top-Qualität entspricht.

Die Planung des Gesellenstücks beginnt mit der Überlegung, was für ein Möbel man denn eigentlich bauen will. In der Regel orientiert man sich dabei an den eigenen Bedürfnissen. „Mein Freund hat einen großen Flachbildschirm gekauft und der bisher verwendete Hocker für den alten Fernseher war nun zu klein“, stellt Lea Pallmer ihre Entscheidungsfindung dar.

Das TV-Möbel wird deshalb erst mal nicht in ihrem Zimmer stehen, sondern bei ihrem Freund. Die junge Frau aus Nufringen sieht das sportlich: „Wenn wir in zwei Jahren zusammenziehen, dann kommt es natürlich in unsere gemeinsame Wohnung. So lange überlasse ich mein Gesellenstück leihweise meinem Freund“.

Die Schreiner-Azubine wird nach dem Abschluss ihrer Prüfungen von ihrem Ausbildungsbetrieb, der Schreinerei Schindler in Sindelfingen, übernommen. „Wir sind froh, dass Lea bei uns bleibt. Eine gute Mitarbeiterin lässt man nur ungern ziehen. Und Geschäft haben wir genug“, so Wolfgang Schindler, der den Betrieb zusammen mit seinem Bruder Georg führt. „Wir werden Lea auch an unserer CNC einsetzen. Sie hat die Maschine für die Bearbeitung der Teile ihres Gesellenstücks selbst programmiert. Klasse, dass die Auszubildenden diese Fertigkeit an der Gottlieb-Daimler-Schule 2 vermittelt bekommen“ lobt Wolfgang Schindler. Für Nichtfachleute: Eine CNC-gesteuerte Maschine führt die Bearbeitung von Werkstücken automatisch durch, nachdem man ein entsprechendes Computerprogramm geschrieben hat. Kollege Computer ist also auch aus einer Schreinerei inzwischen nicht mehr wegzudenken.

Die Nufringerin hat ein gutes Händchen für Gestaltung. Das zeigt sich nicht nur an der Form ihres Gesellenstücks, das hier leider nicht gezeigt werden kann, weil es sich aktuell noch im Bau befindet. Auch die Materialwahl ist gelungen. „Ich wollte das Holz so zeigen, wie es die Natur uns schenkt“ begründet Lea Pallmer die Verwendung von wilder Eiche. Wild deshalb, weil Äste, Verfärbungen und krumme Faserverläufe keineswegs zu Naserümpfen führen, sondern aus gestalterischer Sicht gerade den Reiz des Naturmaterials Holz ausmachen. Kunstfertig verarbeitet ergeben sich daraus wunderschöne Einzelstücke. Darin liegt die besondere Stärke des Schreinerhandwerks. „Vielleicht ist das Gestalterische eine Richtung, in die ich später mal beruflich gehen werde“ wirft Lea Pallmer einen Blick in die Zukunft. Durchaus keine schlechte Idee, wenn man sieht, wieviel Hirnschmalz sie in die Gestaltung Ihres TV-Möbels investiert hat. So wollte sie beispielsweise an der Klappe und am Schubkasten ihres TV-Möbels keinen von außen sichtbaren Griff anbringen. Die angehende Gesellin löst das durch Griffmulden, die aus dem Material herausgefräst werden. So trägt nichts auf und nichts lenkt von der schönen Maserung des Holzes ab. Und auch beim Schloss ist nichts dem Zufall überlassen. Es verbirgt sich hinter der Klappe und das Schlüsselloch wird somit erst beim Herunterlassen derselben sichtbar.
Eine besondere Herausforderung an einem TV-Möbel ist die Kabelführung der Geräte für Unterhaltungselektronik. TV-Receiver, Spielekonsole, Lautsprecher, Flachbildschirm und so weiter. Eine Menge Kabel kommen da zusammen! Lea Pallmer wird diese unsichtbar in Edelstahlröhren verstecken, die einzelne Teile ihres TV-Möbels verbinden. Außerdem hat sie auch hier schon in die Zukunft gedacht. Was ist, wenn man später noch weiter Geräte anschließen will und zusätzliche Kabel durch die Holzteile führen muss? Die Löcher, die dann zu bohren wären, hat die angehende Schreinergesellin vorausschauend bereits vorbereitet. Somit ist das Verkabeln ohne sichtbaren Kabelsalat auch in einigen Jahren noch problemlos möglich.
Zu der wilden Eiche kombiniert die junge Frau ein Material, das sich optisch stark zurücknimmt: weißen Schichtstoff. „So kommt die Wildheit der Eiche noch besser zur Geltung“ erklärt Lea Pallmer abschließend.

 
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