Leila Siewert bei der Arbeit

Rund geht es um die Ecke

Nicht alltäglich ist die Idee von Leila Siewert. Die beiden Möbelrollläden Ihres Gesellenstücks treffen sich in geschlossenem Zustand an der Vorderseite Ihres Sideboards genau in der Mitte. Beim Öffnen machen die Rollläden dann jeweils eine 180-Grad-Kurve und verschwinden dabei hinter einer Rückwand. Die Rollläden laufen also nicht von oben nach unten, sondern von rechts nach links und umgekehrt.

 

Noch sieht man nicht viel, denn die junge Frau ist erst seit zwei Tagen mit dem Bau ihres Gesellenstücks beschäftigt. Acht Arbeitstage bleiben ihr noch, dann muss e fertig sein. Leila Siewert hat ihrem Sidebord eine etwas rätselhafte Gestaltungsidee zugrunde gelegt: ihr Möbel soll viel können. Wenn sie das genauer ausführt, lichtet sich jedoch der Nebel. Es soll als Einzelstück eine gute Figur in jeglicher Wohnumgebung machen und diese dabei optisch nicht dominieren, es soll variabel nutzbar sein und es soll bei Bedarf auch von der Wand wegrücken und an jeglicher Stelle im Raum aufstellbar sein. Und weil in ihrem Ausbildungsbetrieb, der Firma Kaupp + Diether in Herrenberg, Holz nicht nur flächig verarbeitet wird, sondern häufig Rundes hergestellt wird, soll diese besondere Kompetenz auch an dem Sideboard zu entdecken sein.

Nach der Fertigstellung wird das Sideboard erst einmal im WG-Zimmer von Leila Siewert einen Platz finden. Sie hat als Holzart Kirschbaum gewählt. Das soll den Retro-Charakter ihres Stückes noch unterstreichen, der bereits durch die Rollläden und die organische Form betont wird.

Die Rollläden sind übrigens schon fertig. Diese mussten aus dem Fertigungsprozess ihres Gesellenstückes herausgenommen werden, weil sonst das Zeitlimit von 80 Arbeitsstunden deutlich gesprengt worden wäre. Eine besondere Herausforderung bei Rollläden aus Holz ist ein sauberes und dichtes Fugenbild zwischen den einzelnen Lamellen. Deswegen wurde das dafür verwendete Holz zu Lamellenrohlingen aufgetrennt und vor dem Aushobeln auf die Endstärke einige Wochen liegen gelassen. So kann die im Holz noch vorhandene Feuchte abgegeben werden und das Holz verformt sich dann bei den natürlichen Feuchteschwankungen der Umgebungsluft weniger stark. Erst dann wurden die einzelnen Lamellen auf eine Textilbahn aufgeleimt.

Einige der Arbeitsgänge wird Leila Siewert an dem im Betrieb vorhandenen CNC-Bearbeitungszentrum ablaufen lassen. Die Programmierkenntnisse hat sie sich im Rahmen ihrer Ausbildung erworben. Dazu hat sie ein zusätzliches Bildungsangebot an der Gottlieb-Daimler-Schule 2 genutzt und nach einer Prüfung ein Zertifikat zur CAD/CNC-Fachkraft erhalten. Überhaupt sind moderne Maschinen mit viel Elektronik inzwischen gang und gäbe. Damit hat sich auch das Berufsbild des Schreiners massiv modernisiert und verändert. Einen Handhobel hat ein Schreinergeselle manchmal wochenlang nicht in der Hand.

Wenn Leila Siewert vier Generationen zurückgeht, dann wird sie fündig: Ihr Uropa war auch schon Schreiner. Zu ihrem WG-Zimmer-Mobiliar gehört das Meisterstück Ihres Uropas, nämlich ein Schreibtisch. Schreiner schaffen also wirklich bleibende Werte. Zum Berufsziel Schreiner hat Leila Siewert jedoch ganz anders gefunden. Sie hat die Waldorfschule in Böblingen besucht. Ein Schulpraktikum hat sie auf einen Bergbauerhof in Südtirol geführt, dem eine Schreinerei angeschlossen war. Die Beobachtungen, die die angehende Gesellin dort gemacht hat, durften noch vier Jahre in ihrem Kopf schlummern, bevor dann in der Abiturzeit die Entscheidung für die Handwerksausbildung zur Schreinerin fiel. Nach der Ausbildung will sie folgerichtig erst einmal einige Jahre Berufserfahrung sammeln und dann möglicherweise die Ausbildung zur Schreinermeisterin folgen lassen. Ein Abitur muss also nicht zwangsläufig in ein Studium münden. Speziell im Handwerk sind für pfiffige junge Menschen hervorragende berufliche Laufbahnen möglich.

Passend dazu hält die Gottlieb-Daimler-Schule 2 in Sindelfingen exklusiv für Azubis mit Abitur oder Fachhochschulreife im kommenden Schuljahr eine Zusatzqualifikation namens „Management im Handwerk“ bereit. Die Teilnahme an den allgemeinbildenden Fächern wird durch Inhalte in BWL und Recht ersetzt und ermöglicht das Ablegen einer Prüfung zum Managementassistenten, die als einer von vier Teilen der Meisterprüfung anerkannt wird. Eine großartige Möglichkeit, um beruflich im Handwerk durchzustarten.

Leila Siewerts Gesellenstück wird nach der Fertigstellung nicht sofort in Ihrem WG-Zimmer landen, sondern im Rahmen einer öffentlichen Ausstellung vom 15. bis 19. Juli in der Filiale der Kreissparkasse Böblingen in der Bahnhofstraße 8 in Böblingen zusammen mit den Stücken ihrer Mit-Azubis gezeigt. Die Ausstellung kann zu den üblichen Öffnungszeiten der Kreisparkasse täglich von 9 bis 17 Uhr besucht werden.

 
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