Haarige Zeiten für Frisöre

Einblick in die Ausbildung an der GDS2

Ein kreativer Beruf, der bei Auszubildenden immer weniger begehrt ist  â€“ Einblick in die Ausbildung an der Gottlieb-Daimler-Schule

Rund 125 Auszubildende in sechs Klassen erlernen zurzeit das Friseurhandwerk an der Gottlieb-Daimler-Schule 2 in Sindelfingen. Das hört sich viel an. Ist es aber nicht. Die Zahl der Frisör-Lehrlinge geht seit Jahren zurück. Das findet man (nicht nur) an der GDS2 zum Haare raufen.

Wo früher drei oder gar vier Parallelklassen ganz normal waren, sind heute noch zwei übriggeblieben. „Die jungen Leute haben heute mehr Auswahl, mehr Möglichkeiten“, sagt Margot Teufel, die in den Frisörklassen Fachunterricht, Deutsch, Gemeinschafts- und Wirtschaftskundeunterricht gibt: „Und der Verdienst und die Arbeitszeiten sind heute vielen einfach wichtiger“, so die 61-jährige. Die Jugend sei wählerischer. Teilweise habe sie auch höhere Schulabschlüsse.

Wie Jeanne-Alicia Bellon. Die 21-jährige Holzgerlingerin im dritten Lehrjahr guckt gerade ganz genau hin, was ihr Lehrerin Maria Trecarichi am Modell -Ãœbungskopf erklärt.  Jeanne-Alicia ist im dritten Lehrjahr, das Haarhaus Weber in Sindelfingen ihr Ausbildungsbetrieb. Die junge Frau hat, eine Ausnahme, nicht die Regel, Abitur. Eigentlich habe sie ja Hotelfachfrau werden und dual studieren wollen, erklärt sie zwischen zwei Haarbürsten-Strichen. Auch Veranstaltungskauffrau oder Betriebswirtschaft  hätten sie interessiert. Dann wurde es aber doch das Dienstleistungsgewerbe an Köpfen: „Ich jobbe ja schon im Frisörsalon seit ich 14 bin“, lacht die Blondine: “Passt schon.“

Passen tut auch die Ausbildung für Nik(aos) Barmpas, der einzige Mann unter sieben Lehrlingen im GDS-Salon an diesem Nachmittag. Der 23-Jährige, der in Leonberg wohnt, ist Quereinsteiger in den Beruf. Er hat an einer Privat-Uni Informatik studiert und das Diplom gemacht. „Aber ich erkannte, dass mir Informatik doch keinen wirklichen Spaß macht“, zuckt Niko mit den Achseln: „Das hier“, zeigt er auf den Trainingsschopf vor sich, „ist schöner. Da bekomme ich mehr zurück.“  Womit er natürlich nicht sein Ãœbungsmodell meint, sondern reale Kundschaft.
„da kriegt man Emotionen als Feedback“, schmunzelt der junge Kerl: „Und Dankbarkeit. Man hat da doch alles – vom Frustrierten bis zur glücklichen Braut.“ Dienstleistung am Menschen – Niko Barmpas gibt das was.

So wie er dürften ruhig (wieder)mehr junge Menschen empfinden, meint auch GDS2-Schulleiterin Karin Bieber-Machner, die gerne in Frisörklassen ist. Immerhin handle es sich bei diesem Beruf um ein kreatives Metier, wo man mit Formen und Farben zu tun hat, mit handwerklichem Geschick und Schönheit, Make-up, Nageldesign. All das ist ein Motiv für die 125 Azubis, das Berufsbild zu ergreifen. Manche träumen vielleicht von der Selbstständigkeit (zum Beispiel als modischer Herren-Barbier) oder von einem Job am Theater oder in der „Schminke“ der Fernsehstudios, wo Frisöre gern als Maskenbildner unterwegs sind. Und dann vielleicht auch besser bezahlt.

Denn die 160000 bis 180000 (!) angestellten Frisörinnen und Frisöre müssen mit eher kargem Salär auskommen. Zehn Euro Stundenlohn, sagt Verdi-Landefachbereichsleiterin Eva Schmidt, bekomme ein(e) Geselle/in ab August in der Stunde. „Je nach Arbeitsumfang macht das einen Monatsverdienst von 1600 bis 1700 Euro brutto pro Monat.  Nichts für große Sprünge im Leben. Haariger Niedriglohnsektor (weshalb Trinkgelder so wichtig sind).

Immerhin habe man 2018 zum ersten Mal nach elf Jahren mit dem (Arbeitgeber-)Fachverband Frisör und Kosmetik Baden-Württemberg einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag abschließen können, freut sich Eva Schmidt. Die 57-jährige Gewerkschaftsfrau ist denn auch froh, dass die Ausbildungsvergütungen für die Azubis damit ebenfalls angehoben worden sind – von 420 auf 500 Euro im ersten, von 435 auf 590 Euro im zweiten und von 535 auf 715 im dritten Lehrjahr. Bei den Lehrlingen bis zu 37%, bei den Gesell(innen) bis zu 20% habe das bedeutet. „Damit haben  wir bundesweit einen der besten Abschlüsse erreicht“, so die Verdi-Expertin über die damalige Kampagne „Besser abschneiden“.

Eva Schmidt weiß aber auch, dass die Arbeit an Samstagen und/oder bis in die Abendstunden nicht immer nach dem Geschmack der Azubis ist. Handlangertätigkeiten wie Haare-Zusammenkehren ebenfalls nicht. Ein Drittel der Absolventen, schätzt sie, brächen den Job, bei dem man so lange stehen muss, im ersten Jahr ab. Auch GDS-Lehrerin Margot Teufel weiß, dass viele ihre Ausbildung mal machten, aber nicht unbedingt dauerhaft beim Erlernten bleiben, wenn man woanders (womöglich als Ungelernter) einfacher seine Brötchen verdienen kann.

Auch die in der Frsörinnung organisierten Betriebe hätten ein Interesse an Tarifverträgen, weil damit leichter qualifizierte Leute zu finden seien, unterstreicht Gewerkschafterin Eva Schmidt. Aber längst nicht alle Betriebe sind Mitglied der Innung. „In der Handwerkskammer muss man sein, in der Innung nicht“, sagt Innungsobermeisterin Annett Hommel. 63 Betriebe zählt ihre Mitgliederkartei im Kreis Böblingen. Was nicht viel ist. „Allein in Herrenberg gibt es 43 Betriebe“, zieht die Frisörmeisterin einen markanten Zahlungsvergleich. Überdies ist wohl ein Drittel der Salons als „Solo-Selbstständige“ und Einzelkämpfer unterwegs.

Von der Selbstständigkeit träumt auch Frisör-Azubi Niko Barmpas. Sein Chef habe ihm gesagt, als guter Frisör könne man auch gut verdienen. Sollte es nicht so sein, sieht der 23-jährige nicht schwarz: „Geld sollte nicht der einzige Ansporn sein“, grinst er.

 
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